Lena Schättes Roman “Das Schwarz an den Händen meines Vaters” ist ein beeindruckendes und zugleich erschütterndes Porträt einer Kindheit, die im Schatten des Alkoholismus eines Vaters steht.
Mit einer bemerkenswerten Schonungslosigkeit und doch großer Zärtlichkeit nimmt uns die Autorin mit in das Leben von Motte, der Ich-Erzählerin, und ihrer Familie.
Die Protagonistin Motte wächst in sogenannten “einfachen Verhältnissen” auf, wobei ihre Herkunft im Ruhrgebiet zwar eine Rolle spielt, aber nicht im Sinne einer romantisierenden Verklärung des Bergbaus. Vielmehr dient das Milieu als authentischer Hintergrund für das zerrüttete Familienleben.
Der Vater, ein Arbeiter, Spieler und Trinker, prägt Mottes Welt in einem ambivalenten Maße. Es gibt den liebevollen, schnellen Vater, der sich Verstecke ausdenkt und Antworten auf alle Fragen weiß, und dann gibt es den anderen Vater – den, der vom Alkohol verschlungen wird, der von der Werkshalle ins Büro versetzt werden muss, damit er sich nicht volltrunken die Hand absägt.
Das Auf und Ab der Sucht
Mottes Kindheit ist geprägt von den ständig wechselnden Phasen der Sucht des Vaters, von dem Schmerz und der Hilflosigkeit, die der Alkohol in die Familie trägt. Die Mutter bringt ihren Töchtern bei, dass Schnaps Ärger bedeutet, und die Kinder lernen früh, die feinen Nuancen der väterlichen Gemütszustände zu lesen, die vom Alkoholkonsum abhängen.
Motte selbst ist nicht immun gegen die Anziehungskraft des Alkohols; schon als Kind trinkt sie Reste beim Schützenfest, und als junge Frau landet sie betrunken im Hausflur. Dies zeigt die tiefgreifenden Prägungen und die Vererbbarkeit von Verhaltensmustern in Suchtfamilien.
Die Stärke des Romans liegt in Schättes eindringlicher und zugleich nüchterner Sprache. Sie verzichtet auf Pathos und Sentimentalität, um die traumatischen Erinnerungsfetzen und die Realität der Sucht ungeschönt darzustellen. Jeder Satz sitzt und vermittelt die ganze Wucht des Erlebten.
Trotz der düsteren Thematik gelingt es der Autorin, die Liebe und den Zusammenhalt in der Familie spürbar zu machen. Motte liebt ihren Vater, auch wenn er trinkt, und diese bedingungslose, oft schmerzhafte Liebe ist der rote Faden, der sich durch die Erzählung zieht.
Krebs ist ein A…loch
Besonders bewegend ist, wie Motte im Angesicht der Krebsdiagnose ihres Vaters nach einem Weg sucht, sich nicht nur von ihm, sondern auch vom Alkohol zu verabschieden.
Dies ist ein harter, zarter Roman über Abschied, Selbstakzeptanz und die Resilienz der Frauen in dieser Familie, die oft widerstandsfähiger sind als die Männer.”Das Schwarz an den Händen meines Vaters“” ist ein gewaltiger, mitreißender Roman, der einen tiefen Einblick in das Leben mit einem alkoholkranken Familienmitglied bietet.
Lena Schätte, die selbst mit Suchtkranken arbeitet, verleiht der Geschichte eine beeindruckende Authentizität und Sensibilität. Es ist ein Buch, das nicht nur berührt, sondern auch zum Nachdenken anregt – über Familienbande, die Prägungen der Kindheit und den schwierigen Weg zur eigenen Heilung.
Eine absolute Leseempfehlung für alle, die sich auf eine intensive und ehrliche Auseinandersetzung mit dem Thema Alkoholismus und seinen Auswirkungen einlassen möchten.